In memoriam Paula Modersohn-Becker

Achtung, öffnet in einem neuen Fenster. PDFDruckenE-Mail

Zum hundersten Todestag am 20. November 2007


Lesen Sie auch den Artikel Rilke und Paula Modersohn-Becker.

 

Neben Paul Klee, Emil Nolde und Franz Marc, um nur ein paar berühmte Namen zu zitieren, gilt Paula Modersohn-Becker als eine der ganz großen Malerinnen des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Es ist ihr gelungen, sich aus der nachahmenden, konventionellen Darstellung zu lösen und zu einem eigenen Ausdruck durchzustoßen, der das Erdhafte eines Paul Mackensen mit dem Abstrakten eines Picasso oder Kandisky verbindet. Der Dichter Rainer Maria Rilke (1875-1926), der eng mit ihr befreundet war, bemerkte als erster die Nähe der Malkunst Paula Modersohn-Beckers zu den großartigen Bildern van Goghs.

Wie kam es zu diesen erstaunlichen Forschritten in der Malkunst der jungen Frau?
Paula hat ihre gutbürgerliche Herkunft aus Dresden nie verleugnet. Der Vater siedelte nach Bremen über und hing sehr an seiner einzigen Tochter. Paula machte nach dem Abitur das Lehrerinnenexamen. Dann durfte sie endlich ihrer Neigung und ihrem Talent als Zeichnerin nachgeben. Angeregt durch Bilder von Fritz Mackensen, die sie in Bremen sah, ging sie zu ihm nach Worpswede. Später lebte sie zeitweise in Paris, der damaligen Künstlermetropole, um die Kunst zu erlernen. In Worpswede lernte sie den damals schon bekannten Landschaftsmaler Otto Modersohn kennen, den sie im Jahre 1901 heiratete. 
Otto und Paula führten eine Ehe, die auf gegenseitiger Hochschätzung beruhte. Als Paulas Bilder auf der Ausstellung 1899 in Bremen durchfielen, war Otto der einzige Mensch, der weiterhin an ihre Kunst glaubte und ihr treu blieb. Umgekehrt war es Paula, der Otto in seinen schwachen Stunden unterstützte. Beide glaubten an das künstlerische Genie des anderen. Sie führten eine moderne Künstlerehe. Die zur Zeit in Hannover laufende Ausstellung "Paula und Otto Modersohn" (bis zum 24.02.2008) zeigt, wie sehr die Anregungen des einen in die Bilder des anderen unter Bewahrung des jeweils eigenen Stils eingegangen sind. 

Paulas Stimme war nicht weniger ausgeprägt als die ihres Mannes. Ihr wurde schon früh bewusst, dass sie von Worpswede nach Paris aufbrechen musste, um weiter und tiefergehend zu lernen. In Paris begegnete ihr die Kunst Cézannes, van Goghs und Gaugins. Sie nahm Unterricht in einer bekannten Pariser Malschule und kopierte die ihr zusagenden Bilder in Ausstellungen und Museen, um ihren Ausdruck zu schulen. Dieser zweite Aspekt wird von der Ausstellung in Bremen ("Paula Modersohn Becker in Paris") gezeigt. Von 1900 bis zu ihrem frühen Tod im Kindbett 1907 hielt sie sich fünf Mal für mehrere Wochen in Paris auf.

Neben Otto Modersohn hat sich der erste professionelle Leiter der Kunsthalle in Bremen, Dr. Gustav Pauli, Verdienste um Paula erworben. Auch der Dichter Rainer Maria Rilke erkannte sehr früh die Größe von Paulas Kunstschaffen. Er widmete ihr ein Jahr nach ihrem Tod sein "Requiem für eine Freundin", das zu den großen Dichtungen Rilkes zählt (Seminar "Rilke und Paula" im Haus Spöktal vom 02. - 06.02.2008). 

© Dr. Johannes Heiner, November 2007