4. Die historischen Vorleben von Josef Knecht

Drucken

„Der Regenmacher“ (1934) erzählt die Geschichte von Josef Knecht auf der Stufe des magischen Denkens. Er opfert sein Leben für den Fortbestand des Stammes. Diese Grundstruktur des Dienens wird in allen Lebensläufen durchgehalten. Ändern tut sich das Ganze, dem die Hingabe des Dienenden gilt. Gelernt wird das reine Dienen ohne jede Beimischung von weltlichen Gelüsten. Josef Knecht verkörpert diese Haltung und ist uns von Hesse als Vorbild gegeben. Ich denke, dass Hesse sich damit deutlich vom Dienst am Führer abgrenzen wollte, dass er gezeigt hat, wie ein reiner Dienst aussehen könnte.

„Der Beichtvater“ (1936) spielt in der Zeit des Urchristentums. Die Wüstenväter im 2., 3. oder 4. Jahrhundert waren die Vorreiter der Mönche und lebten Gott zugewandt. Diese Erzählung veranschaulicht die inneren Kämpfe der Heiligen. Sie lebten in der Hoffnung auf Erlösung, dem dritten Zeitalter, haben aber den Zugang noch nicht gefunden.

Ich würde den pietistischen Lebenslauf aus dem Nachlass, den sogenannten „vierten Lebenslauf“, an dieser Stelle, dem zweiten Zeitalter des Zwiespalts, einordnen. Josef Knecht findet, obwohl er[KH1] Theologie studiert, keinen wirklichen Zugang zum Priestertum. Die Vermittlung des Wort Gottes ist ihm zu wenig. Er sucht nach einem Erleben, das ihn ganz erfüllen könnte, und er findet es andeutungsweise in der Musik. Aber erst der Josef Knecht des kastalischen Lebenslaufs erlebt den Durchbruch zum Geist der Musik.

Es folgt der „indische Lebenslauf“, eine letzte Erinnerung an die eigene Zeit der indischen Studien rund um die Erzählung „Siddhartha“ (1922). Josef Knecht heißt jetzt Dasa. Er ist der Sohn eines Fürsten, wird aber von den Hirten aufgezogen. Als er ein Jüngling geworden ist, begegnet er einem Menschen, der allein im Wald lebt und meditiert. Er fühlt sich sehr angezogen, muss aber erst noch das Leben eines Fürsten kennenlernen, das ihm zugedacht war. Erst als er dieses Leben als „Maya“ durchschauen lernt, wird er reif für das Leben eines Yogis.